Wer wusste wann vom Fall Peter Bares?
Reaktionen von Lesern zeigen einen bedenklichen Tenor – Sinziger Pfarrei St. Peter hat sich noch nicht geäußert
Sinzig. Der Bericht über den Fall von Kindesmissbrauch in Zusammenhang mit dem früheren Sinziger Kirchenorganisten Peter Bares hat für zwiespältige Reaktionen gesorgt. Während manche ihr Unverständnis äußerten, dass Roland S. (Name geändert) erst Jahrzehnte später an die Öffentlichkeit gegangen war, haben einige andere Leserreaktionen einen bedenklichen Tenor: Das Verhalten von Peter Bares sei demnach in Sinzig durchaus bekannt gewesen. Wer wann und was gewusst haben soll, blieb allerdings offen. Unternommen wurde jedenfalls
Roland S.
Roland S., der schon im Alter von elf Jahren im Orgelunterricht die ersten sexuellen Übergriffe des Kirchenorganisten und Musiklehrers über sich ergehen lassen musste, hatte dem Rhein-Ahr Anzeiger seine Erlebnisse geschildert. Seinen Eltern hatte der Junge “aus Scham” nichts von dem Missbrauch erzählt. Erst nach drei Jahren endete die schreckliche Zeit für den jungen Schüler, der erst im Erwachsenenalter mit seinen Eltern darüber reden konnte. Der Missbrauchsskandal, der ab 2010 über die katholischen Kirche hereinbrach, veranlasste ihn schließlich, sich an den Missbrauchsbeauftragten des Bistums Trier zu wenden. Sein Fall wurde offiziell als Missbrauch anerkannt, er erhielt auch eine Entschädigung. Ein zweites mutmaßliches Opfer hatte sich 2018 ebenfalls an die Kirche gewandt, aber letztlich kein Anerkennungsverfahren eingeleitet. Ob es weitere Fälle gibt, ist bislang nicht bekannt.
Öffentlich wurde der Fall von Roland S. damals nicht. Der heute 57-jährige Sinziger war dem Rat eines Bistumsmitarbeiters gefolgt, der ihm Stillschweigen empfahl, um keine alten Wunden aufzureißen. Doch damit war Schluss, als es darum ging, dem am 2. März 2014 verstorbenen und international bekannten Kirchenmusiker Peter Bares eine Station in einer geplanten Sinziger Musikroute zu widmen. Das wollte Roland S, nicht einfach hinnehmen, ohne die andere, dunkle Seite des Peter Bares zu beleuchten. Die Sinziger Missbrauchsfälle dürften nicht noch einmal verschwiegen werden, erklärte er seinen Schritt an die Öffentlichkeit.
“Hier wurde alles unter den Teppich gekehrt“
Bei einem Sterbeamt für Peter Bares vor gut zehn Jahren in Köln, wo der Kirchenmusiker nach seiner 1985 erfolgten Kündigung in Sinzig noch lange tätig war, wurde seine dunkle Seite durchaus erwähnt, weiß Roland S. aus persönlichen Berichten. Das Bistum Trier hatte den Kölner Arbeitgeber 2010 informiert. “In der Barbarossastadt Sinzig indes wurde dies nie öffentlich thematisiert. Hier wurde alles unter den Teppich gekehrt“, erzählte er mit Bitterkeit.
Kontaktadresse für Verdachtsfälle:
Für Verdachtsfälle auf sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Priester, Ordensleute oder andere kirchliche Mitarbeiter hat das Bistum Trier unabhängige Kontaktpersonen, an die sich Betroffene wenden können:
Fachanwältin Ursula Trappe, Tel. 0151 50681592, und der
Psychologe Markus van der Vorst, Tel. 0170 6093314.
Reaktionen der Leser
Dass das Verhalten von Bares durchaus ein offenes Geheimnis war, dafür sprechen allerdings viele Reaktionen auf die Berichterstattung des Rhein-Ahr Anzeigers. So schriebt eine Leserin: “Ich habe mehrere Sinziger auf die sexuellen Übergriffe auf Musikschüler durch den damaligen Organisten der katholischen Kirche angesprochen und von allen Seiten gehört: Das habe ich gewusst.“
Ein anderer Leser schreibt: “Ich war selbst Klavierschüler von ihm, bin mit ihm bei etlichen Konzerten aufgetreten und ihm in den 1970er-Jahren häufig bei seinen nächtlichen Streifzügen durch die Sinziger Gastronomie begegnet. Dabei habe ich Erfahrungen gemacht, die denen Ihres Informanten nicht unähnlich sind.“
Eine weitere Leserin schrieb: “Ein sachlichen Artikel, der alle Facetten dieses Menschen darstellt, ohne Polemik oder reißerischem Journalismus, und gleichzeitig verdeutlicht, welchem Leid, Scham und Angst vor Ungläubigkeit Betroffene von sexualisierter Gewalt über Jahrzehnte ausgesetzt sind.” Sie lobte den “Mut, zu benennen, was es war: Missbrauch von Kindern“. In Sinzig sei lange genug eine Straftat bagatellisiert worden.
Während manche jetzt kategorisch fordern, den Kirchenmusiker angesichts dieses Missbrauchsskandals nicht in der Sinziger Musikroute zu berücksichtigen, plädiert ein weiterer Leser für einen differenzierten Blick auf die Persönlichkeit Peter Bares. “Was macht man mit einem Künstler, der eine dunkle und eine lichte Seite hat. Damit ist Peter Bares in guter Gesellschaft. Siehe Emil Nolde, der einst von Kanzlerin Merkel aus dem Kanzleramt entfernt wurde. Erst spät hat man seine dunkle Seite von Rassismus und Verherrlichung der Nationalsozialisten entdeckt. Ich plädiere daher, Peter Bares nicht von der Musikmeile in Sinzig auszuschließen. Aber seine Geschichte und sein Wirken sollten in allen Facetten dargestellt werden.“
Keine Reaktion der Sinziger Pfarrei St. Peter
Keine Reaktion auf den Bericht über das Missbrauchsopfer Roland S. gab es indes von der Sinziger Pfarrei St. Peter – zumindest bislang. Möglicherweise sucht man nach dem ersten Schock noch nach dem richtigen Weg, sich zu dem Fall zu äußern. Ein Alt-Sinziger gab hingegen gleich den Rat: “Lasst die Toten ruhen!”
Manfred Ruch
Foto: Archiv Gottschalk
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