Vortragsreihe des Hospiz-Vereins gibt Tipps und klärt auf
Sie hatten und haben zum Teil noch nur ein Ziel: Wiederaufbau
Aber es ist viel mühseliger und langwieriger als gedacht. Und selbst die Ahrtaler, die nach der Flutkatastrophe ihr Umfeld wieder weitestgehend hergerichtet haben, merken: „Es“ ist nicht mehr so wie vorher, und sie selbst sind nicht mehr so wie sie vorher waren.
„Wieder daheim, aber nicht zu Hause – Wie sieht mein Leben nach der Flut aus?“ ist die Vortragsreihe des Hospiz-Vereins Rhein-Ahr überschrieben, innerhalb der die in Bad Neuenahr-Ahrweiler aufgewachsene Juliane Wigro referierte.
„Wieso bin ich so erschöpft? Wer bin ich nach der Flut?“ waren die Fragen, denen sie aus der psychologischen Sicht widmete. Fragen, die bei vielen Menschen auftauchen, die unter ständiger Müdigkeit, dem Gefühl innerer Leere oder Gleichgültigkeit, sozialem Rückzug oder hoher Reizbarkeit leiden. All das sind Symptome von Erschöpfung.
„Häufig kommt ein Gefühl der Erschöpfung, wenn wir über einen längeren Zeitraum gegen unsere Bedürfnisse handeln“, erklärte Wigro. Die Referentin zeigte ihrer Zuhörerschaft auf, was das „Ich“ eigentlich ausmacht und was bei unerwarteten Ereignissen passiert: „Von jetzt auf gleich ist alles anders und man erlebt seine Umwelt nicht mehr als kohärent.“
Die Menschen definierten sich über Erinnerungen, Gegenstände, Bilder und ihre Heimat, ergänzte Christian Falkenstein, der als Psychologischer Psychotherapeut und Mitarbeiter der Trauer- und Traumakoordinierungsstelle des Hospiz-Verein Rhein-Ahr auch Erfahrungen aus seiner Praxis einbrachte und gemeinsam mit Juliane Wigro Fragen aus der Zuhörerschaft beantwortete: „Aber die Heimat ist weg, die Bilder sind weg, die Schränke, das Porzellan und die Schränke sind weg. Das heißt Menschen, die in der Flut viel verloren haben, haben auch Identität verloren, haben mit der Flut auch ‚Selbst‘ verloren. Auch Menschen die vielleicht nur zwei Zentimeter Wasser im Keller stehen hatten, haben ihre Heimat verloren. Hier hat ja ein ganzes Tal seine Identität verloren.“
Wigro und Falkenstein plädierten für Selbstfürsorge und Akzeptanz. „Nicht kämpfen“, rieten sie. Nicht glauben, man könne wieder alles heil machen, sondern akzeptieren, was ist. Die Referentin erläuterte das „Paradox der Veränderung“: „Wenn ich mich akzeptiere, wie ich bin, dann verändere ich mich.“
Zwei kleine Übungen, die jede in seinen Alltag einbauen kann, um sich selbst wieder zu sehen, und sich seinen Befindlichkeiten bewusst zu werden und ihnen nachzugehen, hatte sie ebenfalls mitgebracht. Eine Spiegel- Übung und die Übung „Der kleine Begleiter“ sollen dabei helfen, sich wieder zu erlauben, sich selbst zu sein und ohne schlechtes Gewissen und ohne Geschehenes zu verdrängen wieder an seinen Bedürfnissen zu orientieren und so der Erschöpfung entgegenzuwirken.
Die Vortragsreihe „Wieder daheim, aber nicht zu Hause – Wie sieht mein Leben nach der Flut aus?“ wird fortgesetzt am Mittwoch, 7. Juni, um 18 Uhr mit Christa Kosmala und dem Thema „Verlust von Sicherheit und Vertrauen. Was kann jeder für sich tun“ sowie am Mittwoch, 5. Juli, um 18 Uhr mit Friederike Kettel und dem Thema „Wieder positiv in Bewegung kommen“. Dazu lädt der Hospiz-Verein Rhein-Ahr ins IMQ-Gebäude, Schützenstraße 127, in Bad Neuenahr-Ahrweiler ein. Jeder ist willkommen. „Die Vortragsreihe richtet sich an alle, die sich davon angesprochen fühlen und sich auch diese Fragen stellen. Sie ist auch für alle, die vielleicht nicht die Möglichkeit haben, woanders fachlichen Rat zu bekommen, und sie will dabei helfen, zu erkennen, wie es einem gerade geht und was jeder für sein eigenes Wohlbefinden tun kann“, sagt Claudia Hoffmann von der Trauer- und Traumakoordination beim Hospiz-Verein Rhein-Ahr.
Auskünfte zur Vortragsreihe und zur Trauer- und Traumakoordination gibt sie unter 0151/16237383.
Pressemeldung Hospiz-Verein Rhein-Ahr
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