Tempo 30 – intelligentes Verkehrskonzept oder Schnapsidee ?
Seit August gilt in Remagen bis auf wenige Ausnahmen wie Bundesstraßen Tempo 30 km/h. Das wurde bereits 2021 im Rahmen des Klimaschutzkonzeptes beschlossen. Inzwischen sind die Tempo 30 Zonen ausgeschildert. Abgesehen davon, dass man auf mehreren Straßen bedingt durch deren Zustand und Bauart auch bei erlaubtem Tempo 50 nicht schneller als 30 km/h fahren kann, war diese Maßnahme positiv?
Seit 1957 gilt innerorts eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Das ist auch so in der Straßenverkehrsordnung vorgeschrieben. Eine Gemeinde kann selbst Tempo 30 Zonen und Geschwindigkeitsbegrenzungen festlegen. Entscheidend ist dabei, dass ein konkreter Grund vorliegt (§ 45 StVO). Entgegen vieler Meinungen bedeutet eine Kreuzung nicht automatisch das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung.
Zeitfaktor
Rein rechnerisch braucht ein Fahrzeug, welches mit 30 km/h fährt für eine 5 km lange Strecke genau 10 Min., mit Tempo 50 jedoch nur 6 Min. Im allgemeinen Stadtverkehr mit mehrfachem Anhalten durch Mischverkehr mit Fußgängern und Radfahrern spielt der tatsächliche Zeitunterschied jedoch kaum eine Rolle.
Sicherheit
Bei der Verkehrssicherheit und den Unfallschäden besteht kein Zweifel. Der Anhalte- und Bremsweg reduziert sich deutlich und mindert so bei einem Unfall Verletzungen und Schadenshöhe. Auch werden viele Unfälle durch reduzierte Geschwindigkeit gänzlich vermieden.
Aber wie sieht es mit der Umweltbilanz aus?
Die Geräuschreduzierung durch Tempo 30 ist fraglich. Das Motorgeräusch bei 30 km/h im dritten Gang unterscheidet sich nur unwesentlich vom Motorgeräusch bei Tempo 50 im vierten Gang. Entscheidend ist hier die Motordrehzahl.
Ebenfalls drehzahlabhängig sind die Emissionen und damit auch der Spritverbrauch. Hier hat eine Studie der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg mit Messungen im Jahr 2011 sogar eine Verschlechterung der Luftqualität und des Kraftstoffverbrauchs bei Tempo 30 festgestellt. Beste Luftqualität innerorts erreicht man demnach durch eine gleichbleibende niedrige Drehzahl auch bei 50 km/h und durch kontinuierlichen Verkehrsfluss. Auf vielen innerörtlichen Straßen ist das aus verkehrstechnischen Gründen nicht möglich, auf ausgebauten Durchfahrtsstraßen aber kein Problem.
Fazit
In puncto Sicherheit besteht kein Zweifel – Tempo 30 reduziert Schäden und verhindert sogar Unfälle.
Bei der Emissionsreduzierung ist der Effekt fraglich. In erster Linie werden Emissionen durch kluge Fahrweise reduziert und nicht durch Geschwindigkeitsbeschränkungen. Auch Tempo 30 auf Verbindungsstraßen sind eher kontraproduktiv. Hier sollte der Verkehr gleichmäßig fließen, auch mit 50 oder 70 km/h.
Einen weiteren positiven Effekt von Tempo 30 ist die Annäherung aller Verkehrsteilnehmer auf ein gemeinsames Level. Man ist nicht schneller als mit dem Fahrrad, was Kraftfahrer dazu verführen könnte, sich ein solches Gefährt anzuschaffen oder gar den ÖPNV zu nutzen.
Ein weiterer Gedanke ist, dass durch die langsame Fahrweise Autofahrer nicht in ihrer eigenen Geschwindigkeitsdimension, sondern sich spürbar und sozial im gemeinsam mit allen Verkehrsteilnehmern genutzten Raum bewegen. Das geht schon in Richtung Shared Space, ein Verkehrskonzept, das in immer mehr Städten zumindest getestet und auch seit Jahren erfolgreich praktiziert wird.
Die Auswirkung von Tempo 30, hat Karikaturist und Grafiker Mike Grunzke zu Papier gebracht und kommt zu dem Schluss: “Da scheiden sich die Geister: 30 oder 50 km/h„.
AG