Renaturierung
abgeschlossen - Neuer Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen -
Zwei Wehre in Dernau umgebaut
Im Jahr 1855 wurde die Ahr an der Mündung in den Rhein in ein unnatürliches
Bett gezwängt. Das führte zu diversen Problemen. Jetzt kann
der Fluss wieder "atmen", sprich: sich freier entfalten und
neue Nischen für Tiere und Pflanzen schaffen. Die Initialmaßnahmen
zur Renaturierung der Ahrmündung sind abgeschlossen. Grund genug
für Landrat Dr. Jürgen Pföhler, dieses Ereignis als "historisch"
einzustufen.
Die kreisweite Gewässerökologie und in diesem Rahmen der Gewässerpflegeplan
Ahr sei ein zentrales, langfristig angelegtes Vorhaben beim Naturschutz
im Kreis Ahrweiler, sagte Pföhler zum Abschluss der Bauarbeiten in
Sinzig. Mit dabei: Vertreter der Stadt, der Regionalstelle Wasserwirtschaft
der zuständigen Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord in Koblenz
(SGD), der Fischerei sowie Planer und Baufirmen.
Bei dieser Gelegenheit nannte der Landrat zwei weitere Ahrwehre, deren
Umbauarbeiten ebenfalls abgeschlossen sind. In Dernau wurden die sperrenden
Querbauwerke am Sportplatz und an der Steinbergsmühle so gestaltet,
dass Fische sie passieren und zu ihren Laichplätzen ahraufwärts
gelangen können. Kosten: insgesamt 110.000 Euro. Im Gesamtverlauf
der Ahr werden innerhalb des Kreisgebietes 30 Wehre naturnah gestaltet.
15 sind jetzt geschafft.
An der Ahrmündung beginnt die Natur bereits, die Gesamtkosten von
320.000 Euro zu danken: Tier- und Pflanzenarten erobern die renaturierte
Auenlandschaft zurück, wie Bauingenieur Josef Groß von der
SGD berichtete. Ein buntes Mosaik unterschiedlicher Standortbedingungen
sei wieder zu erkennen. Im Gewässerbett entstehe eine reich strukturierte
Sohle, wo etwa das seltene und gefährdete Bachneunauge seine Kinderstube
finde.
Auf sich ständig verändernden Kiesinseln, die heutzutage in
Flüssen und Bächen kaum noch zu finden seien, entstehe neuer
Lebensraum für seltene und bedrohte Tiere und Pflanzen. So lege der
Flussregenpfeifer seine Eier direkt in Kiesmulden. An vielfältig
strukturierten Uferzonen mit kleinen Buchten und variierten Fließgeschwindigkeiten
schließe sich mit Gehölz durchsetztes, abwechslungsreiches
Offenland an. "Hier werden ideale Lebensräume für viele
geschützte Vogelarten wie Wasserralle, Beutelmeise oder Wachtelkönig
geschaffen", so Groß.
Ein Blick zurück: Die Ahr wurde 1855 auf einer Länge von 560
Metern begradigt, sprich in ein Bett gezwängt. Die daraus folgende
höhere Fließgeschwindigkeit erhöhte den Druck auf den
Damm am Ahr-Unterlauf kurz vor dem Rhein-Ufer. Bei einem Dammbruch würden
große Geröllmassen in den Rhein geschwemmt, die Schifffahrt
behindert, der Rhein-Radweg unbenutzbar und Rückzugsräume bei
Hochwasser verlorengehen.
Jetzt wird der Fluss oberhalb des Naturschutzgebietes "Ahrmündung"
gebremst. In Höhe des Klärwerkes Sinzig wurden Steinschüttungen,
die das Ufer befestigen, zurückgebaut, damit sich der Fluss dort
möglichst ungehindert ausbreiten kann. Dies bringt Entlastung für
das weiter flussabwärts gelegene Areal, weil sich Fließgeschwindigkeit
und Wasserdruck im Mündungsbereich reduzieren.
Auf der rechten Vorlandseite, am Prallufer also, erhielt die Ahr zwischen
der Kläranlage und dem Naturschutzgebiet durch den Bau von seitlichen
Nebenarmen mehr Platz. Das Gewässer kann erodieren, Sedimente ablagern
und so sein Bett sowie die Aue selbst gestalten. Ein 90 Meter hoher Sendemast
des Südwestrundfunks musste gesprengt werden.
Strömungslenker aus gefällten Pappeln leiten die Strömung
an den Rand des alten Ahrbettes und sollen die Eigenentwicklung des Flusses
ebenfalls stärken. Innerhalb eines Jahres hat sich die Ahr bereits
um eine volle Gewässerbreite von 15 bis 20 Metern verlegt. In Abstimmung
mit der Stadt Sinzig wurde der die Entwicklung hemmende Regenwasserkanal
teilweise zurückgebaut. Zudem hat die Stadt die neue Radwegetrasse
auf dem vorhandenen Wegenetz ausgewiesen und ausgeschildert.
Von den 42 Nebenflüssen des Rheines gilt die Ahrmündung als
einzige Mündung mit einem weitgehend naturnahen Zustand. Die jetzige
Renaturierung werde die ökologische Qualität weiter verbessern,
hieß es abschließend.
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