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Sinziger Familiengeschichte beim Turmgespräch

Sinziger Familiengeschichte mit brisantem historischem Bezug

Sinzig. Wenn ein passionierter Ahnenforscher, ausgestattet mit dem Handwerkszeug eines (Kunst)Historikers, die Arbeiten zu seiner Familie abgeschlossen hat, dann kommt dabei eine hochinteressante und bewegende Geschichte heraus. In diesem Falle sogar eine Geschichte mit intensivem Sinzig-Bezug: Dr. Jörg Kuhn aus Berlin erzählte beim „Turmgespräch im Schloss“ des Fördervereins Denkmalpflege und Heimatmuseum aus dem Leben seiner Großmutter Claire Hesseler und seiner Eltern Cäcilie und Erich Kuhn in Sinzig. Es ist eine nicht nur private Geschichte, denn durch die enge Beziehung zwischen den katholischen Hesselers und den jüdischen Friesems in den 1920er und 1930er Jahren wirft sie auch ein individuelles Licht auf die Zeit des Nationalsozialismus in Sinzig.

Für Dr. Kuhn war dieser Vortrag der Schlusspunkt unter seine Arbeit, denn zu seiner großen Freude hatte das Landeshauptarchiv Koblenz die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichenden Unterlagen als exemplarisch eingestuft und übernommen. Das bedeutet auch, dass sie jederzeit für Forschungsarbeiten in Sinzig zur Verfügung stehen einschließlich Exponaten und Dokumente, die zum Vortrag ausgestellt worden waren.
Wesentlich begleitet hat den Vortrag Rudolf Menacher, der intensiv über das Leben der Juden in Sinzig forscht und veröffentlicht hat (Mitautor von „Knoblauch und Weihrauch – Juden und Christen in Sinzig, 1996.)“ So war der Abend sowohl als Vortrag und als Gespräch mit Rudolf Menacher angelegt.
Die Großmutter von Dr. Kuhn, Claire Hesseler, hatte 1927 im Kaufhaus Friesem in der Ausdorfer Straße 10 eine Stelle als „erste Verkäuferin“ angetreten. Das Modehaus der jüdischen Familie Friesem stellte eine erste Adresse dar für Mode und Aussteuerware. 1930 heiratete die Großmutter in die Familie Hesseler, die eine Bäckerei betrieb. Beide Familien blieben in enger Verbindung. Das letzte bekannte Foto des Kaufhauses Friesem datiert aus dem Jahr 1936, als die Inhaberfamilie, von der nationalsozialistischen Verfolgung bereits stark bedroht, es an den Kaufmann Scherzinger verpachtete. Rudolf Menacher ergänzte, dass wahrscheinlich solche Verträge da schon nicht mehr auf reeller Geschäftsbasis abgewickelt worden sind, sondern wohl den jüdischen Verkäufer übervorteilt haben.
Nachdenklich stimmende und anrührend wirkende Fotos aus dem Familienalbum zeigte Dr. Kuhn, so das Tanzstundenfoto seiner Eltern oder seine Mutter als Kommunionkind. Zwei Vettern seiner Mutter waren zu sehen, der eine in SS-Uniform, in andere bei der Wehrmacht. Wie kam man in der Familie mit Gegensätzen der Zeit zurecht? Überliefert ist es nicht.
Eindrücklicher Höhepunkt des Abends bildete die Lesung des Briefs, den die Friesems nach ihrer Flucht aus Deutschland 1945 von Tel Aviv aus an Claire Hesseler, ihre frühere Angestellte, geschrieben hatte. Von viel Not ist da die Rede – die erwachsenen Kinder sind in der Welt zerstreut und kaum erreichbar, alles Hab und Gut ist weg, „wir haben keinen Pfennig erhalten“. Die große Zahl an Waisenkinder, deren Eltern in den Konzentrationslagern ermordet worden waren, bedrückte die Menschen in Palästina (der Staat Israel wurde erst 1948 gegründet). Die Friesems wollten wissen, wie es den Juden in Sinzig ergangen war – „Haben die Sinziger sich benommen?“ Und zum Schluss: „Gruß an alle Bekannten – nur keine Nazis“. „Alles interessiert uns. Wir sind oft in Gedanken in der Heimat“.
Wie schwer es die emigrierten Juden aus Deutschland in ihrer neuen Heimat hatten, legte Rudolf Menacher dar. Oft nur geringe Sprachkenntnisse und vor Ort unzureichende beruflichen Nachweise bedeuteten schlechte Verdienstmöglichkeiten. Für die meisten, auch die aus Sinzig stammenden Familien, blieb die Situation schwierig und belastet.
Die Zuhörerschaft bildete coronabedingt nur eine kleine Gruppe, die sich aber sehr interessiert zeigte. Einige hatten Mutter und Großmutter von Dr. Kuhn gekannt und stellten zur Freude des Referenten viele Fragen, vor allem angesichts der Fotos in der kleinen Ausstellung im Kultursaal des Schlosses. Agnes Menacher, stellvertretende Vorsitzende des Vereins und Leiterin des HeimatMuseem Schloss Sinzig, dankte Dr. Kuhn für den Vortrag, seine Arbeit und dafür, dass die Ergebnisse auch dem Museum über das Landeshauptarchiv zur Verfügung stehen.

Pressemeldung Denkmalverein
Foto: Denkmalverein

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