„Es war ein richtig schöner Tag“
Nachfrage nach „Kleine Fluchten für flutbetroffene Senioren“ ist ungebrochen
Die Notiz in der Zeitung hat eine Sehnsucht geweckt: „Kleine Fluchten für flutbetroffene Senioren“. Mal wieder raus. Dass es „nur“ eine Fahrt nach Bonn war, empfindet Gisela Müller nicht so. Im Kreis Ahrweiler seien die Ortskerne ja längst noch nicht wieder aufgebaut, die Zerstörung von der Flutkatastrophe noch zu sehen, es fehlten die einst gewohnten Anlaufstellen, sagt die 75-Jährige: „Wir sind ja immer noch eingeschränkt in vieler Beziehung, man kommt nicht überall hin, es sind nicht alle Geschäfte da, und wenn ich etwa in die Poststraße gucke, dann wird mir immer noch das Herz schwer.“ Da kam der Bad Neuenahrerin das Angebot des Hospiz-Vereins Rhein-Ahr für flutbetroffene Seniorinnen und Senioren gerade recht.
Außerdem interessierte sie, wie es im Bonner Regierungsviertel – dem Ziel der Tagestour -mittlerweile aussieht, so die Seniorin: „Schließlich habe ich zehn Jahre mit meinem Mann in Bonn gewohnt.“ Der indes ist kurz nach der Flut verstorben und seitdem habe sie „in Eigenregie“ nichts mehr unternommen. Deshalb rief sie ihre Freundin Anita Zimmermann an, „die noch mehr von der Flut betroffen war als ich“, so Müller. Nichts mehr habe sie nach der Flut gehabt, weil sie im Erdgeschoss wohnt und die Wassermassen bis fast in den zweiten Stock stiegen. Traurig ist Zimmermann wegen des Verlusts ihrer Fotoalben, „aber weil eh alles weg ist, brauchen die Kinder wenigstens nicht mehr den Keller auszuräumen. Man muss da einfach anders draufgucken“, fügt die Seniorin an.
Für neue positive Erinnerungen für Flutbetroffene in schwierigen Zeiten sorgt der Hospiz-Verein Rhein-Ahr mit seinen Ausflugsfahrten seit zwei Jahren. 13 Fahrten im Jahr 2022 und fast doppelt so viele im Jahr 2023 mit jeweils rund 40 Teilnehmern hat er seitdem unter der Ägide von Uschi Klapp-Dittmann durchgeführt, überwiegend finanziert aus zweckgebundenen Spenden. Der Kölner, Aachener und der Limburger Dom, das Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Maria Laach, Speyer, Echternach sowie Besuche von Kino, Theater oder Karnevalssitzung gehörten schon dazu.
Besichtigung und Austausch
Seit der ersten Fahrt nach Koblenz inklusive Schiffstour ist die Nachfrage groß. Das Konzept: Eine Busfahrt mit geringem Kostenbeitrag von 5 Euro pro Teilnehmendem führt Senioren von überall von der Ahr zu einem Ziel, das einen Tapetenwechsel beschert, aber ohne allzu lange Busfahrt zu erreichen ist. Oft wird eine Sehenswürdigkeit bei einer Führung besucht und verbunden wird der Ausflug fast immer mit einem gemeinsamen Austausch in geselliger Runde bei Kaffee und Kuchen oder einem Snack. Aber schon im Bus geht es oft munter zu, wie auch die bei beiden Freundinnen aus Bad Neuenahr-Ahrweiler berichten. Ihre Premieren-Fahrt führte mit dem Bus ins Bonner Regierungsviertel. Fast zwei Stunden habe ihnen ein waschechter Bonner viel Neues und Nettes nahegebracht. „Das war so unterhaltsam“, sagen sie, und: „Anschließend sind wir in einem wunderbaren Weinlokal in Oberdollendorf bewirtet worden. Das war alles so toll. Nicht sonst wie bei einer Bustour, wo man irgendwohin gefahren und dann abgefertigt wird. Sondern da war sehr nett der Tisch gedeckt und extra für uns lag eine Menükarte aus. Es ist nicht zu glauben. Es war ein richtig schöner Tag.“
Liebvolle Details mit großer Wirkung
Ihr große Dank gilt Uschi Klapp-Dittmann, die die Ausflugsfahrten für Flutbetroffene beim Hospiz-Verein Rhein-Ahr ehrenamtlich organisiert und auch selbst mitfährt. Außerdem sind weitere ehrenamtliche Begleiter dabei, „die immer helfen und auch bei denen bleiben, die nicht so schnell gehen können oder Hilfe beim Ein-und Aussteigen benötigen“, so die Freundinnen aus Bad Neuenahr-Ahrweiler, die nicht zuletzt den Ideenreichtum und die liebevollen Details bei den Fahrten loben. Klapp-Dittmann freut sich über die Spenden, die diese Touren ermöglichen und noch mehr über manche Reaktionen und die Freude, die viele auf verschiedene Art ausdrücken. Besonders Flutbetroffene, die ihre Lebenspartner verloren haben, fänden im Alltag oft wenig Anschluss, sagt sie, und: „Ein Mitreisender hat am Ende mal zu mir gesagt: Das Angebot des Hospiz-Vereins hat mir neuen Lebensmut gegeben.“
Heiligabend für flutbetroffene Senioren
Aus den Ausflugsfahrten heraus haben sich auch schon eigenständige Gruppen gebildet, die sich montags zur Fahrt ins Schwimmbad nach Rheinbach, dienstags zur Gymnastik in der Ahrweiler Grundschule und mittwochs zum Spielenachmittag in Bad Neuenahr treffen. Auch für 2024 hat Uschi Klapp-Dittmann schon wieder zahlreiche Ideen und Ziele im Kopf. Zunächst aber soll es für flutbetroffene Senioren wieder eine Heiligabendfeier am Sonntag, 24. Dezember, im Bad Neuenahrer Kurpark geben. Wegen begrenzter Teilnehmerzahl ist dazu eine telefonische Anmeldung unbedingt erforderlich. Anmeldung sowie weitere Infos montags bis donnerstags von 9 bis 11 Uhr bei Uschi Klapp-Dittmann unter 0160/1508002.
Pressemeldung Hospiz-Verein Rhein-Ahr
Fotos: Privat